Warum Junge mehr wollen oder wie die Generation Maybe tickt

Generation Null-Bock, MTV-Generation, Generation Praktikum, Generation Y oder Z. Für die Generation existieren zahlreiche Namen. Aber am passendsten erscheint „Generation Maybe“. Damit bezeichnet Journalist Oliver Jeges in seinem gleichnamigen Buch den Zeitgeist der aktuellen Generation.
Die Generation & ihr Label
Was ist ein typischer Maybe? Maybes sind „weder noch“ und nichts wirklich ganz. Sie leben den Opportunismus. Sie sind Vielleicht-Sager, die im Abwägen verharren. Politisch sind sie weder links noch rechts – zwar nicht unpolitisch, aber mit der herkömmlichen Politik können sie nichts anfangen. Sie möchten mit ihrer vegetarischen oder veganen Ernährungsweise die Tiere und den Planeten schützen, jetten aber trotzdem regelmässig in die Malediven und nach Südafrika. Sie möchten Karriere machen und einen gut bezahlten Spitzenjob, gleichzeitig aber auch genügend Zeit für sich selbst, ihre Freunde und Familie haben. Sie tun sich schwer mit Entscheidungen und wissen nicht, was richtig und was falsch ist. Sie möchten sich alles offenhalten und sich nie so recht festlegen. Denn es könnte ja immer noch besser kommen.
Paradoxerweise kollidiert dieser Trend aber mit der fast schon „bünzlihaften“ Sehnsucht nach Sicherheit. Laut den jährlichen Jugendstudien vom GFS Bern wünschen wir uns Freunde, auf die man sich verlassen kann, einen treuen Partner und ein gutes Familienleben. Das Ringen um Orientierung ist die Reaktion auf unsere komplexe Welt, in der scheinbar alles möglich ist. Und ja, es ist zwar alles möglich, aber bereits morgen könnte alles wieder anders sein.
Unsere Welt entwickelt sich in einem rasanten Tempo. Darum steht Flexibilität bei den Maybes in der Lebensplanung an oberster Stelle der Leitmotive. Ziele sind wichtig und werden auch gesetzt, man möchte auf dem Weg dorthin aber flexibel bleiben. Eine gesunde Work-Life-Balance hat oberste Priorität. Laut der GFS Studie werden auch immer mehr Teilzeitarbeitsmodelle gefordert. Und auch die Flexibilität des Arbeitsplatzes entspricht dem Nerv der Zeit. Warum sollte man einen festen Arbeitsplatz haben, wenn man ortsungebunden sowieso alles auf einem Laptop erledigen kann?
Auch die Ansprüche ans Berufsleben sind gestiegen. Man erwartet Karriere und Geld, aber viel wichtiger ist die berufliche Zufriedenheit und die Freude am Job. Die Tätigkeit muss einen Sinn ergeben. Vorgesetzte müssen durch ihr Vorbildsein und durch Vernunft-Argumente führen, nicht aufgrund ihrer hierarchischen Position.
Die Egogesellschaft & ihr Individualismus
Die Maybes hatten Glück. Sie wurden in eine Zeit hineingeboren, in der Flugverspätungen und langsames Internet zu den grössten Problemen zählen. Durch die Digitalisierung und Globalisierung gibt es heute so viele Optionen wie nie zuvor. Ob Politik oder Berufswahl, überall ist jederzeit alles möglich. Gleichzeitig kämpft die Generation mit einem Überangebot, das ihr potenziell zur Verfügung steht. Man ist orientierungslos. Der Leistungsdruck ist immens und jeder ist auf sich alleine gestellt.
Oliver Jeges nennt die Maybes eine Generation der Egogesellschaft – und damit hat er Recht. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird unsere Gesellschaft zunehmend individualistischer. Das muss primär nichts Schlechtes bedeuten, denn im Prinzip bezeichnet der Individualismus eine Geisteshaltung, bei der möglichst eigenständige Entscheidungen und Meinungsbildungen angestrebt werden – ganz egal, ob sie gesellschaftlich konform sind oder nicht. Aus diesem Individualismus hat sich aber ein neues „Gärtlidenken“ entwickelt. Die Selbstverpflichtung endet da, wo die Sorgen des anderen beginnen. Maybes wissen, dass sie auf sich selbst gestellt sind und sich selbst durchkämpfen müssen. Fürs Versagen und Scheitern gibt es keinen Platz. Und auf andere zählen kann man erst recht nicht.
Die Kommunikation & ihre politische Inaktivität
Aus dem „Gärtlidenken“ resultiert auch die politische Inaktivität der Generation. Warum über etwas abstimmen, das einen (jetzt noch) nicht direkt betrifft? Wozu politisches Engagement aufbringen, wenn es einem selbst ja gut geht? Es ist extrem egoistisch, aber junge Menschen sind vor allem dann bereit sich zu engagieren, wenn sie aus ihrem Engagement einen konkreten persönlichen Nutzen ziehen können. Somit setzen sich die Jungen zwar für tiefere Studiengebühren ein, nehmen aber kaum an Abstimmungen teil. Diese Abwägung wird auch im Studium sichtbar, mit dem Bologna-System. Es wird alles danach kalkuliert, mit wie vielen Punkten der Einsatz belohnt wird.
Hinzu kommt auch das Bild der Politik. Täglich wird man über Social Media und Werbung mit attraktiven Menschen und Bildern konfrontiert. Denkt man an Politik, kommt einem als erstes eine Gruppe alter grauer Männer in den Sinn, die zu unattraktiv sind, um sich damit überhaupt auseinanderzusetzen. Auch wenn Politiker mit Begriffen wie „Steuerreform“ oder „AHV-Revision“ um sich werfen – besonders sexy klingt das nicht. Und es klingt vor allem nicht danach, als hätten Junge etwas damit zu tun. Dass das auch anders geht, zeigt beispielsweise die Kampagne „Slow Down – Take it Easy“. Der Hippie-Engel im Werbespot wird zur Kultfigur und erreicht die Jungen.
Die Demokratie wird von den Jungen zudem als selbstverständlich erachtet. Man sieht sie als gesichert – egal ob man am demokratischen Prozess teilnimmt oder nicht. Das ist falsch, denn eine Demokratie muss gepflegt werden. Die Forschung zeigt, dass das Wissen eine grosse Rolle spielt und einen Einfluss auf die Einstellung hat. Je mehr Wissen jemand hat, umso eher beteiligt er sich am demokratischen Prozess. Und das braucht die Demokratie – kritische Auseinandersetzung statt apathisches Zuschauen.
Das Wissen muss bereits in der Schule aufgebaut werden. Politische Bildung hat in den Schweizer Schulen aber kein festes Gefäss. Das ist ein grosses Manko. In sechs Jahren Gymnasium wird einem nicht beigebracht, was 1848 passiert ist oder was eine Pensionskasse ist.
Die Leute der Generation Maybe müssen zudem anders abgeholt werden. In einer Zeit von Informationsüberfluss müssen politische Projekte klare, kurze Botschaften haben – und sie müssen berühren, so wie der Hippie-Schutzengel. Obama hat’s geschafft, allein mit dem Wort „Change“ Massen zu bewegen. Für einige war vielleicht nicht ganz klar, was er damit konkret meinte, aber er hat durch das diesem Wort anhaftende Visionäre den Nerv der heutigen Zeit getroffen. Wenn wir schon bei Obama sind, kommen wir gleich zu einem weiteren wichtigen Punkt – dem Internet. Obama hat das Internet und Social Media geschickt als Kommunikationskanal zum Abholen der Jungen eingesetzt.
Mit der perfekt abgestimmten Kommunikation und der Vermittlung von authentischen Geschichten, können auch die Jungen abgeholt werden. Ehrlich kommunizierte Stärken und Visionen wirken glaubwürdig und begeistern über die Altersgrenzen hinweg.