Gino Strada: Grenzenlos helfen
Donald Trump nennt er einen Vollidioten, der in psychiatrische Pflege gehört. Er wählt nicht, weil kein Politiker seine Anti-Kriegs-Haltung verkörpert. Und er hat als Feldchirurg mehr als 30000 Opfer bewaffneter Konflikte operiert.
Gino Strada ist ein italienischer Chirurg und Friedensaktivitst. Mit Hilfe seiner 1994 gegründeten neutralen und unabhängigen Organisation „Emergency“ konnten in den letzten 23 Jahren über 6 Millionen Menschen in 16 Ländern behandelt werden. Opfern von Kriegen, Landminen und Armut konnte und kann dank Spendengeldern kostenlose und qualitativ hochstehende medizinisch-chirurgische Pflege angeboten werden.
Nebst der medizinischen Behandlung setzen sich Gino Strada und die Emergency Foundation für die Förderung der Menschenrechte, Frieden und Solidarität ein. Am 12. Mai 2017, ein Tag bevor er in Zürich von der Robert F. Kennedy Human Rights Foundation geehrt wurde, liess er eine Hand voll Leute an seinen Visionen, Erlebnissen und Weltvorstellungen teilhaben und stellte sich auch kritischen Fragen, die sich im Verlaufe des Abends entwickelten. Gino Strada plädiert für eine Welt ohne Krieg und Terrorismus – denn das sei möglich, sagt er. Menschen müssen lernen, ihre Konflikte ohne Gewalt zu regeln. Ständig würde vom 2. Weltkrieg und vom kalten Krieg gesprochen, als wäre die Zeit der Kriege vorbei, aber auch heute befänden wir uns in einer Welt voller bewaffneter Konflikte und Terrorismus, deren Opfer zu über 90% Zivilisten sind. Krieg sei kein nützliches Werkzeug – auch ökonomisch gesehen nicht. Frieden sei wirtschaftlich interessanter. Ein Tag Krieg in Afghanistan verursacht Kosten von mehreren hundert Millionen Dollar. Ökonomisch kaum sinnvoll, meint Gino Strada.
Paradox ist dabei auch die Rolle der UNO, die nach dem zweiten Weltkrieg zum Zwecke der Vermeidung zukünftiger Kriege gegründet worden ist. Trotzdem gab es seit 1945 über 170 bewaffnete Konflikte. Und trotzdem gibt es im Kriegsrecht zahlreiche Ausnahmen, die gewalttätige Handlungen legitimieren – beispielsweise das Selbstverteidigungsrecht eines Staates. Gino Strada sieht in der Gewalt an Menschen immer ein Verbrechen und das Selbstverteidigungsrecht als eine plumpe Rechtfertigung gewalttätiger Handlungen. Den Grund für Krieg und Gewaltverbrechen sieht er im Menschen. Ein Tier wäre zu derlei Grausamem nicht fähig. Ein Fuchs würde sich zwar in einen Hühnerstall schleichen und sich ein Huhn greifen, um zu überleben. Aber kein Fuchs würde sich organisieren und mit Tausenden von anderen Füchsen ein Massaker im Hühnerstall anrichten. Nur Menschen können so brutal sein.
Für Gino Strada ist Helfen eine moralische Verpflichtung. Dabei hat er gelernt, keine Unterschiede zwischen den Opfern zu machen – denn als Arzt ist das nicht seine Aufgabe. Dieselben Ansichten hat er zur Flüchtlingsthematik. So solle man zuerst sicherstellen, dass es allen Menschen gut geht, die übers Mittelmeer geflüchtet sind. Sie sollen medizinisch versorgt und in Sicherheit gebracht werden – erst dann müsse man sich Gedanken über die Verteilung machen.
Am Ende der Diskussion betont Gino Strada, er sei sich noch immer sicher, dass eine Welt ohne Krieg und Terrorismus möglich wäre. Damit etwas passiert, müsse aber vor allem Druck von Seiten der Zivilgesellschaft auf die Politik ausgeübt werden. Und zwar bald.
Bild: Keystone